Emma

aus dem Tierheim Rieti/Italien

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Die Geschichte von Emma kann eigentlich nicht ohne die Geschichte von Caira erzählt werden. Caira begleitete uns 10,5 Jahre lang. Sie war ein Seelenwesen, ruhig, zurückhaltend, freundlich. Wenn es sein musste, konnte sie allerdings auch sehr zickig und böse sein, das kam höchst selten vor. Sie lebte zusammen mit Chakka, den sie, als er mit 8 Wochen zu uns kam adoptierte und erzog. Er war ihr Spielkamerad und Freund. 

Als Caira starb war es nicht nur für uns schwer damit umzugehen, auch Chakka wurde immer verschlossener und trauriger. Er war sein Leben lang nicht gewohnt „allein“ zu leben. Wir vermissen sie sehr.  Ihre Nähe, ihre Wärme, ihre Freundlichkeit und das weiche Fell, das wir immer mit besonderer Freude streichelten.

Chakka wurde zunehmend trauriger und unausgeglichener, wie man kaum übersehen konnte. Die täglichen Spaziergänge reichten ihm bei Weitem nicht aus, er wollte auch spielen, rennen und herumtoben. Seine Art zu spielen entsprach aber nicht der unsrigen, die konnte nur ein Hund erfüllen. Obwohl wir überhaupt noch nicht bereit waren, uns mit dem Gedanken an einen neuen Hund anzufreunden, wussten wir dennoch, dass wir uns schon um seinetwillen damit auseinandersetzen mussten.

Fotos: Ilona Hambitzer
Einen Welpen wollten wir auf keinen Fall. Viel zu schnell würde zwangsläufig das Problem auftreten, dass der junge Hund, der voller Energie und Tatendrang ist, Rücksicht auf den alten Hund, der seine Tage genießen wollte, nehmen müsste. Für beide Seiten sehr unbefriedigend. Außerdem würde sich das Problem der Kastration stellen, denn züchten wollen wir nicht. Der Gedanke daran machte uns aber schwer zu schaffen, weil die Kastration ein gewaltiger Einschnitt in das Hundeleben bedeutet, denn obwohl sie heute zwar ein Routineeingriff ist, bleibt ein Risiko bestehen z.B. die Narkose.
Sollten triftige Gründe für eine Kastration sprechen - ungewollter Nachwuchs, weil die Hunde nicht unter ständiger Kontrolle stehen - sollte sich jeder vorher über das Für und Wider Gedanken machen.

Eine bereits kastrierte Hündin – aus dem Tierschutz – würde uns diese Entscheidung abnehmen.

Gleichzeitig hatten wir aber auch eine Scheu davor, einem älteren Hund bei uns einen Platz zu geben. Ein gleichaltriger Hund sollte es auf keinen Fall sein, allein schon deshalb nicht, weil uns der Gedanke ans Sterben gruselte.......Man kann aber nicht alles im Leben vorausplanen und viele Dinge lösen sich von ganz alleine.

Zufällig fiel mir ein Foto von einer hübschen zweijährigen Maremmano-Hündin auf, die uns sehr gefiel. Hat man sich einmal mit dem Gedanken an einen neuen Hund angefreundet, häufen sich diese „sogenannten Zufälle“, es gab viele hübsche Hündinnen in dem Alter.

Fotos: Hundepfoten in Not




Frau List von der Organisation Hundepfoten in Not, die für die Vermittlung von Bella zuständig war, erklärte mir am Telefon, dass Bella bereits vergeben sei. Sie sandte mir aber Fotos von einer anderen - Maremmano-Collie - Hündin zu.  Diese war jedoch bereits 5 Jahre alt, also genau in dem Alter, in dem wir auf keinen Fall einen Hund wollten.

Trotzdem überlegten wir das ganze Wochenende was aus „Rosina“, so hieß sie, werden sollte. Auf dem Foto sah man nämlich eine freundliche weiße Hündin, die so glücklich über die kurze Befreiung aus ihrem Zwinger war, dass sie die Dame aus dem Tierschutz stürmisch begrüßte und küsste.  

„So ein schreckliches Leben und dann immer noch so viel Freundschaft für die Menschen“. Das beeindruckte mich zutiefst.
Es war wie ein Blitzschlag.

Ich muss nicht großartig erwähnen, dass wir gar nicht anders konnten und unbedingt diesen Hund haben wollten. Das war Anfang August, holen würde sie die Organisation Anfang September.

Die Zeit des Wartens nutzte ich, um mich mit Rosina, die Emma - von Mar-emma - heißen sollte, mental auseinanderzusetzen. Die Bilder, die ich zugesandt bekam, hing ich an meinem Arbeitsplatz auf und schaute sie mir jeden Tag an. So hatte ich es mit Chakkas Bildern auch gemacht. Ich stellte mir die Hündin genau vor, malte mir aus wie sie hier leben würde, wie glücklich sie wäre, einfach alles. Nicht einen Augenblick hatte ich Zweifel, dass sie eventuell doch nicht die Richtige für uns sein könnte, obwohl ich nur diese Fotos gesehen hatte. Ich wusste einfach, dass sie „der“ Hund war.



 

Fotos: http://www.hundepfoten-in-not.de/                        auf der Homepage sehen Sie Bilder und ein Video über Rieti


Als wir am 9.9.06 nach Frankfurt fuhren um Emma, deren lange Fahrt aus Italien hier endete, endlich in die Arme zu nehmen, war ich allerdings zunächst sehr überrascht. Sie sah überhaupt nicht wie ein imposanter Maremmano aus, wirkte eher zierlich, hatte lustige Kippohren und einen sehr schmalen Körper. Aber Emma war die Einzige, die lautstark über ihre „Gefangenschaft“ protestierte. Das gefiel mir sehr. Sie war auch die Einzige, die ihre Box nicht beschmutzt hatte. Als sie endlich aus dieser befreit wurde, konnte man ihr ansehen, dass sie da nie mehr wieder reingehen würde. Selbstbewusst lief sie an der Leine mit Karo -  eine Freundin, die auch mit mir nach Kroatien gefahren war um Chakka zu holen – und mir mit und schaute sich alles an.

Unser Herz eroberte sie sehr schnell, sie schaute uns mit ihren wunderschönen Augen an, sodass man gar nicht anders konnte, als dahinzuschmelzen. Ihre ganze Art und ihr freundliches Verhalten entsprach auch  genau dem Hund, den ich erträumt hatte und auch Karo wusste, dass sie nicht nur für uns, sondern gerade für Chakka die Richtige war. Sie entsprach absolut seinem Charakter. Dass sich der Collie bei Emma rein äußerlich stärker durchsetzte, war mir vollkommen egal. Mit den Augen der Liebe gesehen, war sie die schönste Hündin weit und breit.

Fotos: Ilona Hambitzer



 

Ihr Zustand war miserabel. Sie war stark abgemagert, hatte keine Muskulatur, eine Demodex mit zerlöchertem Haarkleid - wie von Motten zerfressen - die Unterwolle hing in Fetzen heraus und sie stank zum Himmel. Die Mahlzähne waren schwarz vom Zahnstein, im Grunde ein Bild des Jammers, wenn man nicht diese wachen Augen, dieses freundliche Verhalten und ihr starkes Selbstbewusstsein gesehen hätte.




 


Emma wurde ins Auto gesetzt, in das sie ohne Furcht stieg, neugierig die Straße und die Lichter betrachtete und sich dann entspannt hinlegte. Zu Hause dauerte es 2 Minuten, dann hatte sie den Chakka bereits um den Finger gewickelt, sie forderte ihn nämlich einfach zum Spiel auf und leckte ihm die große Schnauze. 



links:
Doris Frick
1. Vorsitzende von Hundepfoten in Not, nimmt Abschied von Emma

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Max, mein Mann, war ebenso irritiert, denn auch seine Vorstellungen von einer Maremmano-Abruzzese traf Emma nicht im Geringsten. Aber auch hier zeigte Emma sofort ihr Gespür für das Richtige, sie setzte sich nämlich einfach vor Waldemar (Karos Mann, der ebenfalls neugierig auf Emma war) und Max hin und himmelte beide an. Das war´s!

Später, am Abend, als wir schlafen gingen, war es für Emma selbstverständlich, dass sie zu uns ins Schlafzimmer kam. Alleine schlafen wollte sie auf keinen Fall und wir hatten großes Verständnis für diesen weißen, zwar verwahrlosten  und stark stinkenden Hund, der aber die wunderschönsten, dunkelkajal umrandeten Bernsteinaugen besaß, die wir je gesehen hatten.

In der Nacht schliefen alle sehr entspannt, tief und fest. Einmal führte ich Emma und Chakka in den Garten, danach schliefen wir alle ruhig weiter.


Emma ist ein Traumhund, sie ist sehr klug, sehr aufmerksam, freundlich und lieb. Sie will gefallen und sie beobachtet deshalb sehr genau. Obwohl sie unsere Sprache noch nicht kennt, weiß sie dennoch sehr schnell, was man von ihr verlangt. Ich arbeite mit deutlichen Handzeichen und Lichtsignalen.



 



 

Lichtsignale: Hierbei handelt es sich um das Licht einer blau leuchtenden Taschenlampe. Emma, die nicht nur sehr klug, sondern auch eine hervorragende „Selbstversorgerin“ ist, hat einen großen, schweren Igel getötet und eine Amsel im Flug gefangen und ebenfalls abgemurkst. Das Lichtsignal der Taschenlampe hält sie jetzt davon ab, sie reagiert gut darauf, schleppt zwar noch ab und zu einen Igel, setzt ihn aber auf Verlangen ab. Mittlerweile wird er völlig ignoriert. Hier orientiert sie sich an Chakka, der sogar neben mir sitzen kann und den Igeln beim Laufen zuschaut.


So eine Mordgier hatten wir diesem zarten Hund überhaupt nicht zugetraut, wir waren ziemlich erschreckt. Emma ist eine Kämpferin, zu deren Strategie Verhaltensweisen wie Misstrauen, Angriff und Töten überlebensnotwendig waren.


Die Neugier von Emma hat sie auch zu einer kleinen Kletterkünstlerin werden lassen. Wir sahen sie plötzlich im Garten des Nachbarn. Sie war über eine Mauer geklettert. Aber diese Schwachstellen, die sie uns freudestrahlend zeigte, haben wir schnell beseitigt.



 

Chakka bildet mit Emma mittlerweile ein Paar, eine kleine Hundegruppe. Sie verstehen sich und unterstützen sich gegenseitig, wo immer sie es für richtig halten. So auch bei den täglichen Spaziergängen, die deshalb erst einmal einzeln ausfallen. Ich gehe nicht so gerne mit zwei Rodeopferden spazieren.

sämtliche Fotos: Ilona Hambitzer

Emma versteht es geschickt sich in den Vordergrund zu setzen. Sie drängelt Chakka förmlich ab, leckt ihm aber dabei beschwichtigend die Schnauze, sodass dieser sich das Ganze großzügig gefallen lässt. Sein ausgezeichneter Charakter  zeigt sich nicht nur in seiner Großzügigkeit, sondern auch in der fürsorglichen Art, wie er mit ihr umgeht. Dennoch gibt es ab und an Auseinandersetzungen, die aus lautstarken Knurrgeräuschen, bösem Bellen und Scheinangriffen bestehen. Emma übertreibt dabei manchmal so sehr, dass Chakka völlig genervt und erschreckt den Rückzug antritt. Selbst wenn er anfänglich dagegenhält, gibt er am Ende immer als Erster auf und beendet die aufgetretene Spannung. Der Grund für derartige Auseinandersetzungen ist für mich nicht klar ersichtlich, hat aber sicher seinen Ursprung auch im noch fehlenden Vertrauen und der daraus resultierenden Unsicherheit. Stelle ich mich schlichtend zwischen die Hunde, unterbricht sie sofort.  Bei lauten Worten wirft sie sich direkt devot auf den Rücken. Die Zeit wird die seelischen Wunden heilen!



 



 

Ihr Haarkleid sieht nun schon sehr gut aus, die Löcher wachsen zu und für die Abschaffung des Gestanks hat sie selber gesorgt. Sie geht gerne schwimmen oder sitzt in ihrer Badewanne.



Die wunderbar erholsame Atmosphäre die herrscht, wenn die beiden Hunde ruhig, zufrieden und vollkommen entspannt neben uns liegen, überträgt sich positiv auf uns.
Von Freunden werden wir öfter angesprochen und gelobt, was für ein gutes Werk wir getan haben. Das haben wir tatsächlich, nämlich ein gutes Werk für uns selber, denn die Freude, die Emma uns bringt, kann keine unserer Gegenleistungen vergelten.

Wir sind wieder glücklich.

sämtliche Fotos: Ilona Hambitzer